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mit einer Tagung im Münchner Schloss Nymphenburg
beendete die Bayerische Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege ihr Schwerpunktjahr 2019 zum Thema „InsektenVielfalt“. Wissenschaftler, Verbandsvertreter und Interessierte diskutierten den
aktuellen Stand von Forschung und Maßnahmen im Insektenschutz.
Das Interesse am Insektenschutz ist auch fast ein Jahr nach dem erfolgreichen Volksbegehren „Rettet die Bienen“ für mehr Artenvielfalt groß: Mehr als 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer kamen am 5. Dezember 2019 zum internationalen Fachsymposium „Insektenschwund – Wege aus der Krise“. Eingeladen zu der Veranstaltung im Hubertussaal im Münchner Schloss Nymphenburg hatte die Bayerische Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege (ANL). Das Symposium bildete den Abschluss einer Vielzahl von Veranstaltungen der Akademie zum Jahres-Schwerpunkt „InsektenVielfalt“.
„Wir sind jetzt in der wichtigen Etappe, in der aus dem Gesamtunternehmen eine Gemeinschaftsaufgabe wird“, stellte Alois Glück zu Beginn der Veranstaltung fest. Der langjährige Landtagspräsident und Landtagsabgeordnete berichtete über seine Erfahrungen als Moderator des „Runden Tisches“ zum Volksbegehren. Er sprach sich vor allem für mehr Beratung und Umweltbildung aus – vom Kindergarten bis zur Fachausbildung. Sorge bereitet Glück vor allem die innere Verfassung bäuerlicher Familien, die sich in ihrer Arbeit immer weniger wertgeschätzt fühlen. Er rief dazu auf, sich gegenseitig zuzuhören und sich bei den Verhandlungen zu Maßnahmen für mehr Insektenschutz in die Position des anderen hineinzuversetzen.
Wissenschaft bestätigt dringenden Handlungsbedarf und schlägt Maßnahmen vor
„Die Wissenschaft ist kein Gegner der Landwirtschaft“, betonte Andreas Segerer von der Zoologischen Staatssammlung in München. Seine Präsentation bildete den Auftakt zu einem Überblick über den aktuellen Stand der Forschung in sieben Vorträgen: Vorgestellt wurde unter anderem eine Studie der Technischen Universität München, die kürzlich in der renommierten Fachzeitschrift „Nature“ veröffentlicht wurde. Sie bestätigt den massiven Rückgang der Insekten und zeigt, dass nicht nur die Insektenmasse, sondern auch die Artenzahl rückläufig ist. Auf den für Deutschland repräsentativen Untersuchungsflächen finden sich heute etwa ein Drittel weniger Insektenarten als noch vor zehn Jahren – und zwar im Grünland wie im Wald. Die größten Verluste sind auf Grünlandflächen zu verzeichnen, die von Ackerland umgeben sind.
In Bayern ist der Rückgang der Insektenarten seit langem bekannt. Selbst Naturschutzgebiete sind betroffen, wie das Beispiel Keilberg in der Nähe von Regensburg zeigt. Dort ist das Vorkommen von Schmetterlingen seit 250 Jahren dokumentiert und hat seither um 29 Prozent abgenommen. Insgesamt nimmt der Rückgang den Experten zufolge an Geschwindigkeit zu. Eine wesentliche Ursache dafür ist das Verschwinden von Lebensräumen oder deren nachhaltige Veränderung. Nach wie vor unterschätzt wird die bedeutende Rolle, die Stickstoffeinträge dabei spielen.
Eine wesentliche Maßnahme gegen das Verschwinden der Insekten ist der Erhalt von mageren Blumenwiesen. Darauf wies Andreas Fleischmann von der Botanischen Staatssammlung in München hin. Blühstreifen seien dafür kein Ersatz. Im Gegenteil – in der Nähe intensiv bewirtschafteter Flächen könnten sie Insekten sogar schaden, da sich Pestizide in Blühpflanzen mehr anreichern können als in Zielpflanzen auf dem Feld. Er plädierte dafür, Fördergelder vom Erfolg für mehr Naturschutz abhängig zu machen, da 80 Prozent der Klima- und Umweltmaßnahmen, die Landwirte im sogenannten „Greening“ der EU durchführen, im Hinblick auf mehr Artenvielfalt wirkungslos sind.
Weiter vorgestellt wurden neuartige Methoden, um den Rückgang von Insekten zu beurteilen, und Maßnahmen, wie Lebensräume wiederhergestellt werden können. Beispielsweise gibt es mit dem „EU all butterfly indicator“ inzwischen für Schmetterlinge einen Index wie für Aktien, der Bestandszahlen verschiedener Arten in den unterschiedlichsten Regionen Europas in einer Zahl zusammenfasst.
Wie aufwendig und kompliziert es ist, Lebensräume wiederherzustellen, zeigte ein Projekt zur Wiederansiedlung des „Wiesenbläulings“ aus den Niederlanden. Damit die Schmetterlingsart überleben kann, musste nicht nur eine Menge Erde abgetragen werden, um ein ehemaliges Feuchtgebiet wiederherzustellen, sondern ebenfalls sichergestellt sein, dass dort bestimmte Tier- und Pflanzenarten die richtigen Lebensbedingungen vorfinden, von deren Vorhandensein die Schmetterlingsart in ihrem Lebenszyklus abhängig ist. Insgesamt kostete die Wiederherstellung der Lebensräume mehr als 4 Millionen Euro – die Autoren betonten, dass es wesentlich sinnvoller und günstiger für die Gesellschaft sei, die noch intakten Lebensräume zu schützen. Dass die Renaturierung von Auen und Gewässern ein wichtiger Pfeiler in der Förderung der Insektenvielfalt ist, zeigte Kathrin Januschke von der Universität Duisburg-Essen. Der Erfolg von Maßnahmen hängt dort vor allem von den örtlichen Gegebenheiten ab. Entscheidend ist zum Beispiel, welche Insekten im Einzugsgebiet leben und wie hoch das Wiederbesiedlungspotenzial ist. Besonders interessant: Insgesamt reagieren Ufer- und Auenarten wesentlich schneller auf Maßnahmen als im Wasser lebende Arten. Dies sollte bei der Erfolgskontrolle berücksichtigt werden.
Wie Josef Settele vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung und Co-Vorsitzender im Weltbiodiversitätsrat berichtete, findet das Thema Insekten- und Artenschutz inzwischen bei den Politikern Gehör: Zu einer Information über den aktuellen Globalen Bericht des Weltbiodiversitätsrats war er bei Frankreichs Präsident Macron und bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier eingeladen. Das beunruhigende Ergebnis der Auswertung, das ein Autorenteam aus 51 Ländern auf Grundlage einer Vielzahl von Studien erarbeitet hat: Mehr Arten von Pflanzen und Tieren als jemals zuvor in der menschlichen Geschichte sind vom Aussterben bedroht!
Podiumsdiskussion offenbart nach wie vor unterschiedliche Vorstellungen hinsichtlich der Umsetzung von Maßnahmen
Die Lage für Insekten ist ernst. Darüber waren sich die Teilnehmer an der abschließenden Podiumsdiskussion einig. Unterschiedliche Vorstellungen zeigten sich jedoch hinsichtlich der Umsetzung von Maßnahmen. „Bei den Bauern brodelt es“, stellte Martin Erhardsberger vom Bayerischen Bauernverband fest. Die Stimmung bei den Landwirten sei „ziemlich am Boden“. Es stimme nicht, dass Bauern grundsätzlich gegen strengere Umweltauflagen seien. Allerdings seien in letzter Zeit vom Einzelnen nicht mehr erfüllbare Gesetze verabschiedet worden. Zudem stünden die Ansprüche verschiedener Zielgruppen an Landwirte mitunter im Widerspruch.
Naturschutzverbände kritisierten, dass viel Potenzial in der Umsetzung ausgebremst werde. Dies zeige zum Beispiel der Streit, wo genau Gewässerrandstreifen beginnen – an Böschungsoberkante oder Uferlinie. Die gegenwärtige Debatte um die Streuobstverordnung weise ähnliche Reibungspunkte auf. Nach deren jetziger Fassung erhalten Wiesen nur dann gesetzlichen Schutz, wenn der Kronenansatz bei 75 Prozent der Obstbäume in einer Höhe von mindestens 1,80 m liegt. „Das Geschacher darf nicht sein“, betonte Christine Markgraf vom BUND Naturschutz, der gegenwärtig im Rahmen der europäischen Bürgerinitiative „Bienen und Bauern retten“ einen Ausstieg aus der Nutzung synthetischer Pflanzenschutzmittel bis zum Jahr 2035 fordert. „So bleiben wir notorisch im Umsetzungsrückstand. Wir müssen Landwirtschaft vollständig reformieren.“ Insgesamt müsse man weg von der flächenbasierten Prämie und Verteilung der Gelder im Gießkannensystem hin zu einer Prämierung von Arbeitskraft oder/und Förderungen für gesellschaftsrelevante, das Gemeinwohl und den Naturhaushalt fördernde Wirtschaftsweisen. Unterstützung erhielt sie mit dieser Forderung von der Vertreterin der Landesvereinigung für ökologischen Landbau, Cordula Rutz, und vom Landesbund für Vogelschutz (LBV). Laut Norbert Schäffer vom LBV sollten Landwirte nicht nur einen Ausgleich für Ertragsausfälle durch Naturschutzmaßnahmen erhalten, sondern zusätzlich für Leistungen für den Naturhaushalt bezahlt werden.
Weitgehende Einigkeit herrschte bei den Diskutanten aus Wissenschaft und Verbänden dagegen, dass Landwirte Planungssicherheit hinsichtlich der Zuwendungen und Vorschriften für Naturschutzleistungen brauchen. Wichtig seien außerdem faire Preise für landwirtschaftliche Produkte.
Eine vollständige Dokumentation der Veranstaltung erscheint in der nächsten Ausgabe der Fachzeitschrift ANLiegenNatur, die im März 2020 erscheint.
Mit freundlichen Grüßen
Evelin Köstler, Dipl.-Biologin
Leiterin Fachbereich 2 – Landschaftsentwicklung und Umweltplanung